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06.01.2012, 17:43:07
Hallo Zusammen,
ich beschäftige mich gerade mit der Semiotik und dabei sind mir die unterschiedlichen Sichtweisen von Peirce und Umberto Eco bezüglich des Zeichens nicht ganz klar geworden.
Die Zeicheneinteilung von Peirce (Index, Ikon, Symbol) ist klar, aber wie steht Eco dazu?
Peirce betrachtet nur das symbolische Zeichen als konventionell, Eco hingegen alle. Gibt es noch mehr Abweichungen (bez. des Zeichens) zwischen den Beiden?
Vielen Dank für die Hilfe
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Hallo!
Der grundlegende Unterschied zwischen Peirce und Eco liegt vor allem in der Beschreibung der Semiotik allgemein und ihrer Anwendung auf verschiedenste Bereiche. Peirce bleibt da meistens sehr theoretisch, Eco überträgt die grundlegenden Ansätze von Peirce aber auf Literatur, etc.
Seiner Meinung nach untersucht die Semiotik alle kommunikativen und vor allem kulturellen Vorgänge als Zeichenprozesse/Kommunikationsprozesse. Semiotik dient hier also, ähnlich wie bei Peirce, als Erkenntnistheorie (im Gegensatz zu einer simplen Theorie der arbiträren Zeichen bei Saussure zum Beispiel). Es geht um das Feststellen von Interpretationskonventionen, also darum, Semiose konkret zu machen.
Ich denke deswegen, dass es gar nicht so sehr darum geht, kleinste Unterschiede in den einzelnen Zeichendefinitionen zu sehen - dazu müsste man diese schon direkt nebeneinander stellen, sondern um einen allgemeineren Blick auf die Anwendung dieser Definitionen bzw. das konkrete Interpretieren/Analysieren von Texten und Kommunikationsprozessen. In dem Handbuch zur Semiotik von Nöth kann man diesen Unterschied ganz gut erkennen: In dem Kapitel zu Umberto Eco geht es vielmehr um Ecos Definition der Semiotik und seine Übertragungen auf die Literatur- und Kultursemiotik. Hier ist dann auch die Weiterführung zur Textsemiotik mit den Rückgriffen auf Peirces Definition der Abduktion interessant.
Wenn es wirklich um konkrete Unterschiede innerhalb der Definitionen gehen soll, dann kann man das wohl am differenziertesten bei dem Thema Ikonizität machen. Eco kritisiert bei Peirce vor allem das uneindeutige Ähnlichkeitskriterium zur Definition des Ikons. Das kann man ganz gut in "Zeichen. Einführung in einen Begriff und seine Geschichte" von 1977 ausarbeiten.
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Ich bin Semiotiker und halte die - zurzeit allerdings beliebte - Terminologie von Peirce kaum noch für brauchbar. Auch Eco glänzt nicht durch Klarheit. Meines Erachtens mangelt es in semiotischer Begriffsbildung an explikativem Anspruch - die Klärung der grundlegenden Begriffe wird leider eher vermieden. Dabei müsste u. a. den Familienähnlichkeiten zwischen Verwendungsweisen des Lexems {<zeichen>, <zeichn>} Rechnung getragen werden. Ein neuerer Ansatz, der auf pragmatischer Theorie nach Grice, Searle und Schiffer fußt, findet sich in
Posner, Roland (1993), „Believing, Causing, Intending: The Basis for a Hierar-chy of Sign Concepts in the Reconstruction of Communication“. In: René Jorna, Barend van Heusden, Roland Posner (eds.), Signs, Search and Communication: Semiotic Aspects of Artificial Intelligence. Berlin und New York: de Gruyter: 215-270.
Deutsch:
Posner, Roland (1994), „Zur Genese von Kommunikation – Semiotische Grund-lagen“. In: Karl-Friedrich Wessel und Frank Naumann (eds.), Kommunikation und Humanontogenese. Bielefeld: Kleine: 384-430.
Eine Arbeit zum Bildbegriff, die den Familienähnlichkeiten zwischen Zeichenbegriffen Rechnung tragen will (und auf "Zeichen" ausführlich eingeht und viele Anwendungen auf Kulturphänomene bietet):
http://www.semiose.de/index.php?id=657,33
Begriffe wie "Ikonisch", "konventionell" u. a. können auf intentionalistischer Grundlage meines Erachtens expliziert werden ("Intention" nicht nur i. S. v. "Absicht", sondern i. S. d. Brentano-Schule). Von vielen Semiotikern wird Peirces Dreiteilung leider einfach unhinterfragt übernommen, ohne dass etwas darüber gesagt wird, was Ikon, index, Symbol gleichermaßen zeichenhaft mache.
Ein interessanter Versuch, konventionelle sprachliche Bedeutung durch Bezug auf Sprecherintention zu explizieren, kam übrigens von Georg Meggle (auch im Internet eine Kurzfassung: http://www.uni-leipzig.de/~philos/meggle.../1993e.pdf )
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Auch wenn es in der Ursprungsfrage tatsächlich "nur" um einen Unterschied in den Zeichendefinitionen verschiedener Semiotiker ging - was ein übliches Spiel in Einführungen in die Semiotik ist, ein paar Überlegungen zum Kommentar von kunnukun:
Ich stimme durchaus ein in das Klagelied über die Uneindeutigkeit der Definitionen bei Peirce (und auch Eco) und seinen möglicherweise eher niedrigen explikativen Anspruch. Ich bin allerdings überzeugt, dass beides zumindest in Peirces Arbeit (und pauschal behauptet auch in Ecos Ansatz) nie wirklich im Vordergrund stehen sollte. Es geht Peirce meiner Meinung nach nicht um das klare Gegenüberstellen einzelner Zeichentypen, sondern immer um die Erarbeitung des Gesamtprozesses der Semiose. Und genau deswegen ist er heute immer noch oder wieder so populär.
Natürlich gibt es längst überzeugendere Zeichenmodelle, die viel eindeutiger und verständlicher sind. Die beworbenen Ansätze sind da interessant und vielversprechend, aber es gibt noch deutlich mehr Weiterentwicklungen, Neuansätze, Verbesserungsvorschläge, gerade auch was den Bildbegriff angeht. Ich kenne leider die verlinkte Arbeit zu diesem Bildbegriff nicht, aber viele andere Ansätze dazu, die weit über eine begriffliche Auseinandersetzung hinausgehen und vor allem anwendungsbezogen arbeiten. Darauf kommt es meiner Meinung nach vielmehr an, denn Zeichen können nur im und durch ihren Gebrauch überhaupt einigermaßen definiert werden. Von diesem Gebrauch völlig abgeschiedene, abstrahierte Versuche, ein Zeichen zu bestimmen und dafür dann auch ein möglichst allgemeingültiges Beispiel zu finden können nur schief gehen, wenn der jeweils aktuelle Prozess der Semiose nicht mitbedacht wird. Eine theoretische Zugrundelegung dieser Semiose ist schon ein erster Schritt, kann aber nie ohne den jeweiligen Kontext gesehen werden.
Genau das ist es, was Peirces Semiotik eigentlich will. Und darin ist sie, ohne darauf hier weiter eingehen zu wollen, weil es zur Beantwortung der eigentlichen Frage überhaupt nicht beiträgt, mindestens genauso pragmatisch wie die erwähnten Ansätze von Grice, Searle, etc.
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Ein Beispiel für einen abstrahierten Versuch der Zeichendefinition - gerade erst mit Kollegen diskutiert - ist vielleicht die Bestimmung eines so genannten Qualizeichens bei Peirce als eine Farbempfindung.
Total abstrahiert vom Kontext, von den Begrifflichkeiten noch dazu.
Das führt zu Missverständnissen, Unklarheiten, etc.
Hier wäre ein Reden über den Zeichengebrauch sicherlich förderlich, weil erst dann der Gebrauch in die Definition miteinbezogen wird. Der Unterschied sollte schon aber aufrecht erhalten werden, ist mir auch bewusst. Ich frage mich nur, wofür eine rein theoretische, nicht auf einen aktuellen Gebrauch bezogene Definition eines Zeichens überhaupt noch nützlich sein kann.
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Ich kenne keine Explikationen, die sich nicht auf 'Gebrauch' beziehen sollen -
erstens: Eine Explikation des Begriffs <Z> im Sinne Carnaps modelliert den Alltagsgebrauch des Wortes Z.
Zweitens: Wenn Z das Wort "Zeichen" ist, dann will die betr. Explikation ein Alltagsverständnis von <Zeichen> erfassen, sofern jenes Wort mit diesem Alltagsverständnis etwas zu tun hat. Das hat es wohl, oder?
Drittens: Unser Alltagsverständnis von <Zeichen> bezieht sich sicher auf alltäglichen Zeichengebrauch. (Gerade "Semiose" hingegen ist eine wissenschaftliche Konzeption, deren Bezug zum Alltagsverständnis von <Zeichen> in Frage steht.)
Was mich an dem zurzeit modischen Peirceanismus wurmt, ist u. a. das Benutzen bildhafter Veranschaulichungen: Dreiecke, ähnlich wie die Vierecke Greimas', deren Aussage dann eigentlich wieder mit vielen Worten erklärt werden muss. Man kann das provisorisch tun, ist didaktisch sicher auch sinnvoll, darf aber nicht ständig dabei stehen bleiben.
Die von mir genannte Literatur ist prall gefüllt mit Anwendungsbeispielen.
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