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[Didakt] Sprachdidaktik, DaF, Sprachlehrforschung: 
Erledigt: 01.07.2018, 18:21:10 Wie lernen Flüchtlinge am besten Deutsch?
#1
Erledigt: 01.07.2018, 18:21:10
 
Während meiner Vorbereitung für Linguistikprüfungen u.A. über Spracherwerb musste ich häufig an die Flüchtlingsproblematik denken. Was denkt ihr, wie sie am erfolgreichsten Deutsch lernen würden? In meiner Stadt sind sie beispielsweise in Zentren oder Turnhallen 'aufgehoben' und mischen sich sehr sehr selten unters Volk. Deutschunterricht findet statt. Ich persönlich bin überzeugt davon, dass der Inputfaktor viel wichtiger ist als der Unterricht. Diesen zu erhöhen, ist natürlich nicht einfach und fordert natürlich viel Aufwand etc...
Habt ihr euch schonmal Gedanken darüber gemacht? Ich möchte mich hierbei eher auf Erwachsene beziehen, da Kinder ins Schulsystem integriert werden. Diskussion willkommen!
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#2
 
Hallo Chano,

ich denke, dass wenn du von Flüchtlingen, die in Zentren oder Turnhallen 'aufgehoben' sind, sprichst, du wahrscheinlich solche meinst, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist, ja , vielleicht noch nicht einmal wirklich begonnen hat.

Ich unterrichte seit Anfang Oktober gemeinsam mit fünf weiteren Kollegen ehrenamtlich in einem neu eingerichteten Kurs (5 x 2 UE / Woche) für junge Flüchtlinge, die auch teilweise noch im schulpflichtigen Alter sind. Von denen geht aber meines Wissens noch keiner in eine reguläre Schule; ihr Verfahren ist einfach noch zu 'schwebend'. Entsprechend groß ist die Fluktuation. Viele der Kursteilnehmer sehe ich nur ein einziges Mal und dann nie wieder. Immer wieder kommen neue KT hinzu und andere bleiben plötzlich weg. Ich muss jedes Mal auch immer wieder etwas für absolute Null-Anfänger machen, aber auch etwas für diejenigen, die weiterlernen wollen. Dass wir uns die Arbeit unter sechs verschiedenen Kursleitern aufteilen, macht es zwar auch nicht leichter, aber fällt dann auch nicht mehr sonderlich ins Gewicht.

Ich bin als ehrenamtlicher Lehrer in demselben gemeinnützigen Verein auch vertretungsweise bereits in Erwachsenenkursen eingesprungen. Da sieht die Sache nicht viel besser aus. Teilweise gibt es da aber Leute, die bereits mehrere Jahre in Deutschland leben und deren Asylverfahren immer noch läuft. Im Erwachsenenkurs teilen sich vier Kollegen den Unterrricht (auch jeder eine Doppelstunde pro Woche). Der Kurs läuft schon länger und da nimmt man mehr Rücksicht auf die Teilnehmer, die weiterlernen wollen. Dort haben sich die Kollegen das auch thematisch aufgeteilt, die eine unterrichtet nur mit Bildmaterial (Wortschatzübungen), andere kümmern sich schwerpunktmäßig um Grammatik, Lesen und Schreiben.

Ganz anders ist die Situation in einem Integrationskurs, wo ich an dieser Institution nicht-ehrenamtlich, auf Honorarbasis auch schon als Vertretungslehrer eingesprungen bin. Dort sind alle Teilnehmer anerkannte Flüchtlinge oder haben sonstwie ein Bleiberecht in Deutschland. Sie sind dann auch verpflichtet, den Kurs zu besuchen. Dennoch kommen viele später oder gehen früher; einige erscheinen manchmal auch gar nicht. Das hat meist mit Problemen bei der Kinderbetreuung zu tun, obwohl es in diesem Verein sogar eine Krabbelstube für die ganz Kleinen gibt. Pro Kurs gibt es nur einen Lehrer. In einem Integrationskurs kann man, so wie man das üblicherweise wünscht, auch eine normale Progression planen, aber die ist sehr ambitioniert: Pro Niveaustufe des Europäischen Referenzrahmens (A1, A2, B1) sind dort, wo ich unterrichte, normalerweise nur 100 UE vorgesehen.
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#3
 
Ergänzung: Spätestens in dem NMoment, in dem dem Asylantrag o.ä. stattgegeben wird, werden diese Kinder schulpflichtig. Sollten die Deutschkenntnisse nicht hinreichend für einen Schulbesuch sein, wird mitunter auch während der vormittäglichen Schulzeit entsprechender Sprachunterricht erteilt, so dass die Kinder trotzdem schon mit ihren künftigen Klassenkameraden zusammen kommen, was dem Spracherwerb auch sehr hilft.
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#4
 
@sprach-blog hat hierzu auch eine tolle Initiative gestartet:
Flüchtlingen beim Deutsch-Lernen helfen: Linguistik hilft!
http://www.sprach-blog.de/?p=583
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#5
 
@gernot und janwo

Hallo und vielen Dank für die schnelle Antwort. Ich war mir gar nicht sicher, ob ich die Frage präzise gestellt habe und habe auch befürchtet, dass sie eventuell so aufgefasst würde, als dass ich mir hier Tipps etc. für eine Arbeit erschleichen wollen würde, lol.

An Euren Antworten sehe ich aber auch, dass ich mich doch etwas ungenau ausgedrückt habe. Mir ging es eigentlich um Konzepte zum Deutschlernen ohne Deutschunterricht (total logisch, da ich ja Deutschlehrer werde). Implizites Lernen wird ja immer besser bewertet und ich bin davon total überzeugt, weil ich beispielsweise auf diese Art Spanisch gelernt habe.
Meine Intention war eigentlich, eine Diskussion in diese Richtung zu lenken bezüglich der Flüchtlinge.
Nach dem Motto 'Sie haben zu wenig deutschen Input, wie kann man das ändern...'

@ Gernot, Deine DAF- Aktivitäten finde ich richtig klasse! Ich bin auf dem Gebiet leider nicht sonderlich bewandert, was die Lizenzierung etc. angeht. Soweit ich flüchtig recherchiert habe, muss man, um DAF oder DAZ unterrichten zu können, viele teure und kostenaufwendige Fortbildungen und Lizenzen machen. In einigen Foren schreiben viele, die das alles gemacht haben, dass sie es nicht wieder machen würden, da zu teuer zu langatmig und zu uneffektiv.
Ist das wirklich so, dass dieser Bereich total verlizenziert und kommerzialisiert wird? Ich habe das leider im Gesundheitsbereich schon erlebt, dass man trotz hoher Kompetenz zig Lehrgänge machen muss, die eigentlich überflüssig sein sollten, wenn man sie schonmal gemacht hat. Es wird nicht auf Kompetenz bzw. Performanz geschaut, sondern nur auf die Lizenzen. Sehe ich das falsch oder ist das im DAF DAZ - Bereich auch so?

@IN: Danke, toller blog!
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#6
 
Viele machen DaF/DaZ als vollwertigen Bachelor/Master. Das kostet dann nicht mehr oder weniger als andfere Studiengänge auch. Zertifikate vom "freien Markt" sind meistens dubios. Da würde ich wenn überhaupt n ur welche in Erwägung ziehen, die vom BAMF auch anerkannt werden. Manche Unis bieten auch DaF/DaZ Zertifikate an, die man kostenlos neben dem regülären Studium machen kann. Die werden dann oft auch vom BAMF als den BA/MA gleichwertig anerkannt.
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#7
 
(05.11.2015, 15:18:56)Chano schrieb: Implizites Lernen wird ja immer besser bewertet und ich bin davon total überzeugt, weil ich beispielsweise auf diese Art Spanisch gelernt habe.
Naja, implizit lernt man ja auch bereits, wenn man z.B. ein Spiel spielt. Das versuche ich in meinem Jurgendkurs möglichst häufig zu machen, auch wenn ich als Lehrer dabei natürlich schon explizite Hintergedanken habe und genaue Vorstellungen über das mit dem Spiel verknüpfte Lernziel. Diesen Montag habe ich z.B. mit meinem Jugendkurs Berufe-Schwarzer-Peter gespielt. Da passen, wie bei Schwarzer-Peter üblich, immer zwei Karten zusammen; eine zeigt eine Person in Berufsbekleidung, die andere illustriert die Aktivität. Entsprechend beschriftet sind diese Karten auch. Als Hausaufgabe habe ich dann zwei Sätze zum Schreiben aufgegeben: "Was bin ich in 10 Jahren von Beruf?" und "Was mache ich dann?".

(05.11.2015, 15:18:56)Chano schrieb: @ Gernot, Deine DAF- Aktivitäten finde ich richtig klasse! Ich bin auf dem Gebiet leider nicht sonderlich bewandert, was die Lizenzierung etc. angeht. Soweit ich flüchtig recherchiert habe, muss man, um DAF oder DAZ unterrichten zu können, viele teure und kostenaufwendige Fortbildungen und Lizenzen machen. In einigen Foren schreiben viele, die das alles gemacht haben, dass sie es nicht wieder machen würden, da zu teuer zu langatmig und zu uneffektiv.
Ist das wirklich so, dass dieser Bereich total verlizenziert und kommerzialisiert wird?
Ja das ist wahr, selbst ich mit meinen 20 Jahren Berufserfahrung in Deutsch als Fremdsprache muss jetzt noch einen, wenn auch verkürzten, Qualifizierungskurs besuchen, um eine BAMF-Zulassung für Integrationskurse zu erhalten.

Siehe diese Matrix des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

Zwar darf ich, weil so große Not am Mann ist, jetzt auch erst einmal schon in Intgrationskursen unterrichten, muss die selbst zu finanzierende Qualifikation aber bis spätestens 2017 nachholen, sonst ist damit wieder Schluss. Bis 20.07.2010 wurde das mal vom BAMF finanziert und jetzt wird es höchste Zeit, dass es das auch wieder übernimmt.

Ich bin für einen Kurs in den ersten beiden Dezemberwochen angemeldet und muss das wohl noch selbst zahlen. Kostenpunkt für mich: 700 EURO Kursgebühr + 40 EURO Materialkosten für insgesamt 70 UE. Es würde mich aber nicht wundern, wenn das BAMF die Kosten dafür im nächsten Jahr wieder übernimmt. Dann bin ich halt der Gea****te oder der Culo sucio, wie Schwarzer Peter auf Spanisch heißt.
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#8
 
@ Gernot: vielen Dank für die Infos! Wenn ich die Martrix richtig deute, bräuchte ich keine Zusatzqualis, wenn ich beim Lehramt Spanisch/ Deutsch auf Berufskolleg 1. und 2. Staatsexamen mache?


@ janwo: Auch dir vielen Dank, da werde ich mich mal schlau machen.
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#9
 
(05.11.2015, 17:37:13)Chano schrieb: Wenn ich die Martrix richtig deute, bräuchte ich keine Zusatzqualis, wenn ich beim Lehramt Spanisch/ Deutsch auf Berufskolleg 1. und 2. Staatsexamen mache?
Das würde ich auf den ersten Blick jetzt auch so sehen. Aber du musst ja dann sowieso einen Antrag beim BAMF stellen, um den Schein zu bekommen. Warte also ab, bis du deine Examina hast, und reiche diese zusammen mit dem Antrag beim BAMF ein. Nach sechs Wochen erhältst du dann in der Regel den Bescheid bzw. den Schein.
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#10
 
Um einmal kurz noch zwei weitere Flüchtlingsrelevante Sprach(lern)dinge zu nennen:

Langenscheidt bietet sein Arabisch - Deutsch Wörterbuch für Flüchtlinge gratis an, damit sie sich leichter verständigen können.

Und Duolingo und seine fleißigen Helfer versuchen nun im Eilverfahren, einen Deutsch-Kurs für Arabisch-Sprachige aufzubauen. Der Prozess bis dahin dauert eigentlich länger aber angesichts der Flüchtlingssituation, versuchen sie nun das Projekt in 2-4 Monaten durchzukriegen, noch ist es im Incubator. Mit Duolingo kann jeder für sich selbst Deutsch lernen, viele haben ein Smartphone von ihnen, um mit ihren Familien im Kontakt zu bleiben. (Nicht weil sie zu viel Geld haben, wie "besorgte Bürger" dummerweise stets aufmerken...) Ich denke, dass so ein Kurs von immensem Vorteil wäre, da viele der Flüchtlinge Arabisch sprechen und im Selbststudium meist mehr Zeit aufgebracht werden kann denn in einem Kurs mit festen Zeiten.

Hier der ursprüngliche Aufruf dafür.
Und hier ein ausgebreiteter Artikel von den Kursbeteiligten darüber.

Ähnliche Projekte wurden nun auch angestoßen für Schwedisch < Arabisch und Französisch < Arabisch.
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#11
 
Hi Kevin, super Tipp mit langenscheidt & co!

Also ich hatte in meiner Frage eigentlich mehr auf banalere Dinge abgezielt, nicht so sehr auf Unterricht oder Didaktik. Eher so etwas in der Kategorie 'viel deutsches Fernsehen und Radio anbieten, Kinderbücher' etc..
In meiner Stadt bleiben die Flüchtlinge größtenteils in ihren Zentren und mischen sich kaum unters Volk. Meine Schwester kam neulich abends in einer Kneipe mit mehreren ins Gespräch, was toll ist für die Integration etc., allerdings haben sie auf englisch kommuniziert.Ich denke, dass es sehr sehr effektiv wäre, einfach auf deutsch mit ihnen zu sprechen. Bloß sind diese Bedingungen nicht ganz einfach zu schaffen...

Zum Thema Smartphone: Klar sind die superwichtig zwecks Kommunikation, Banking usw., aber ich sehe auch die Gefahr dabei, dass viele einfach zuviel Zeit verplempern, indem damit rumgedaddelt wird. Gestern in der überfüllten Bahn habe ich zig Jugendliche und Erwachsene (Nichtflüchtlinge) gesehen, die stundenlang irgendwelche spielautomatenähnliche Blinkdaddeltippspiele gezockt haben, unglaublich, sowas kannte ich noch gar nicht.
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#12
 
Das Problem ist ja, dass die Asylsuchenden an die Regeln ihres Heimes gebunden sind. Sie haben theoretisch zwar eine Aufenthaltsgenehmigung für den Bereich der Behörde, wo sie den Antrag gestellt haben. Aber oft gibt es Heime, bei denen die Asylsuchenden nicht länger als 24 Stunden weg sein dürfen und sich auch nicht weiter als 30 km entfernen dürfen. Weil sie dabei stets Leibesuntersuchungen durchmachen und sowieso viel Aufwand damit verbunden ist, lassen es die meisten einfach. Zudem sind viele so traumatisiert, dass es ihnen nicht einfiele, in eine lokale Bar zu gehen, um mit Fremden ihr Deutsch zu trainieren.
Zum grausigen Alltag der Flüchtlingsheime sind solche Daddelspiele wahrscheinlich eine eher willkommene Abwechslung. Es steht ja auch nicht zur Frage, ob Flüchtlinge ihre Zeit durch sinnlose Betätigungen verplempern. Sie werden wahrscheinlich auch nur für die allerwichtigsten Dinge zum Smartphone greifen. Der Akku ist heilig, weil es nicht überall Steckdosen gibt und man genug, manchmal nur im Badezimmer und dann muss man da warten, bis der Akku voll ist, sonst wird das Handy geklaut.
Wenn das Problem mit dem Strom zumindest sichergestellt werden könnte, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass Internetangebote wie Duolingo eine sinnvolle Erweiterung des Deutschkursangebotes ist. Durch die Beschränkungen des freien Aufhaltens könnte ich mir auch gut vorstellen, wenn es eine App gäbe, wo sich Deutsche und Asylsuchende austauschen können, auf Englisch (viele sind auch erstmal besser bedient, ihr Englisch auszubauen) oder Deutsch. Das stärkt den Verbund, die Integration und man kann nebenbei auch noch Deutsch vermitteln. Vielleicht finden sich so auch ja auch Tandems, die auch Arabisch lernen wollen.
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#13
 
Ich unterrichte Migranten (wer davon in welchem Maße Flüchtling ist, ist eine spezielle Frage) seit Herbst 2015 und rate von einem (politisch korrekten?) Bierernst gegenüber den Schülern ab. Eine Beschreibung meiner Erfahrungen ist vielleicht auch ein Einblick in Handlungstheorie und Pragmatik:
https://cellediefreieseite.wordpress.com...-in-celle/
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