(09.07.2012, 18:30:35)Schlotlicht schrieb: Wie ist die Beziehung ( wenn es eine gibt ) zwischen dem Organon-Modell (von Bühler) und der Sprechakttheorie (von Searl)?
Im Grunde haben doch beide den gleichen Ausgangspunkt: Handeln mit/durch Sprache. Auch Bühler bezeichnet Sprechen in seinen grundsätzlichen Axiomen, die das Organon-Modell begründen und ausdifferenzieren, als Sprechhandlung bzw. Sprechakt, die/der zwischen Sender und Empfänger geäußert wird. Wie hier genau der Begriff der Sprechhandlung bzw. des -aktes definiert wird, wäre deutlich herauszuarbeiten.
Aber vermutlich lassen sich die stärksten Parallelen in einer konkreteren Betrachtung der einzelnen Bestandteile der jeweiligen Modelle ziehen, zum Beispiel zwischen Darstellungs-, Ausdrucks- und Appellfunktion bei Bühler und der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen propositionalem Gehalt und illokutivem bzw. perlokutivem Akt bei Austin/Searle. Ein Zeichen hat nicht nur einen semantischen, propositionalen Gehalt, der bei Bühler wohl zunächst die Darstellungsebene betrifft, sondern eben auch ein "Mehr" an Informationen, das vom Empfänger so oder so verstanden werden kann: die Appellfunktion bei Bühler, der illokutive bzw. perlokutive Akt bei Austin/Searle. Eine genauere Unterscheidung dieser Bezeichnungen wäre sicher interessant und man müsste sich dazu noch einmal die unterschiedlichen Definitionen genauer angucken. Ich könnte mir vorstellen, dass man dann so graduelle Unterschiede zwischen den Ansätzen finden kann und beispielsweise die Ausdrucks- und Appellfunktion möglicherweise "nur" dem illokutiven Akt entsprechen, der perlokutive Akt dagegen noch etwas mehr beinhaltet. Aber das sind nur Vermutungen, die ich grad nicht verifizieren kann.
Genauer müsste dann auch unterschieden werden zwischen dem Begriff der Ausdrucksfunktion bei Bühler (dort eher grundsätzlich) und dem in der Sprechakttheorie, wo er einen spezifischen Sprechakt darstellt.
Als einen großen Unterschied zwischen den beiden Ansätzen würde ich allgemein die Differenziertheit ansehen. Während Bühler sich vor allem mit den semiotischen Qualitäten des Zeichens an sich beschäftigt, sind die einzelnen Funktionen der Sprechhandlungen in der Sprechakttheorie deutlich spezifischer beschrieben - und erfuhren dort ja auch eine ständige Weiterbearbeitung. Außerdem beschäftigt sie sich intensiver mit dem Unterschied zwischen bewussten und unbewussten Handlungen, beschreibt das Konzept der Intentionalität also deutlich detaillierter. Ich bin mir nicht mal sicher, ob es bei Bühler überhaupt große Erwähnung findet.