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Erledigt: 01.07.2018, 18:21:10 wie Theorie/Frameworkneutral ist das Konzept der Valenz
#1
Erledigt: 01.07.2018, 18:21:10
 
Ich überlege seit einer Weile, wie Theorie/Framework neutral das Konzept der Valenz ist. Gibt es (gegenwärtig) Linguisten, oder Frameworks, die ohne Valenz (bzw. äquivalentes wie Stelligkeit/Arität) auskommen, oder der Meinung sind, dass es das nicht gibt?
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#2
 
@thf - sorry, völlig übersehen. Sollen wir's in einen separaten Thread auslagern?
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#3
 
(03.09.2013, 18:03:45)janwo schrieb: @thf - sorry, völlig übersehen. Sollen wir's in einen separaten Thread auslagern?

Interessant find' ich die Frage schon, aber ich kann schlecht einschätzen, ob Interesse an einer Diskussion besteht, daher hatte ich das mal hier "geparkt", statt in einem eigenen Thema. :)
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#4
 
Diese Frage treibt mich jetzt schon die ganze Zeit um. Ich fand/finde sie furchtbar spannend. Ich glaube manchmal, dass sich irgendwo bei mir ein Schalter umlegt, sobald jemand "Verb" sagt.
Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass es Grammatikmodelle etc. gibt, in denen Abhängigkeitsverhältnisse so nicht beschrieben werden. Selbst wenn man Verbvalenz ausschließen kann, bleiben ja noch genügend andere Wortarten übrig. Keine Grammatiktheorie, die mir eingefallen ist, behandelt das nicht. Das aber heißt ja erstmal nicht, dass es so etwas nicht gibt ;)

Ich habe also mal nachgefragt und ein bisschen gewühlt. Gefunden habe ich folgendes:

Schlobinski schreibt (Hervorhebungen von mir), dass "das Konzept der Valenz eine wichtige Rolle [spielt], das von Karl Bühler über das Leerstellen-Konzept etabliert wurde und in der deutschen Grammatiktradition eine eigenständige Rolle spielt, sich jedoch als Valenz- oder Rektionsprinzip in jeder Grammatikmodellierung wiederfindet." (Schlobinski, Peter (2003): Grammatikmodelle. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. S. 55.)

So weit, so übereinstimmend mit meiner Intuition. Rektion wird wohl außerdem bereits seit dem 8. Jahrhundert als Begriff benutzt (Thümmel (1992:139) nach Schlobinski 2003:55).
Eine Darstellung der Tradition in älteren Grammatiken (zumindest für das Deutsche) findet sich u.a. auch bei Gardt, Andreas (1999): Geschichte der Sprachwissenschaft in Deutschland. Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Berlin: de Gruyter. S. 30ff., wo er u.a. über die "Grammatica speculativa" von Thomas von Erfurt (ca. 1300-1310 verfasst) spricht:

"Der Lehre von den Wortarten (etymologica) steht in den modistischen Arbeiten die Syntax (diasynthetica gegenüber. Besonderer Wert wird auf die Darstellung der Abhängigkeitsverhältnisse im Satz, d.h. auf Fragen der Rektion (regimen) und der Kongruenz (congruitas) gelegt." (Gardt 1999:35-36).

Und er zitiert Thomas von Erfurt (bzw. die Übersetzung seines Werkes) direkt mit "Der unmittelbare Zweck einer syntaktischen Konstruktion ist der Ausdruck eines zusammengesetzten geistigen Konzeptes mittels eines Verbs." (ebd., 36) Dependenzen werden als Notwendigkeit beschrieben, um "ein komplexes geistiges Konzept auszudrücken und eine vollständige Bedeutung im Bewusstsein des Hörers zu erzeugen" (ebd., 37).

Einer meiner Dozenten meinte zudem, dass das Konzept der Valenz/Dependenz auch bereits bei den griechischen Grammatikern zu finden war - er wusste nur nicht mehr, wo er das gelesen hat. Nachgesehen habe ich da nicht mehr, aber einfallen würden mir jetzt z.B. Dionysios Thrax, bei dem man nachsehen könnte.


Damit kann ich zwar keine endgültige Antwort auf deine Frage liefern aber zumindestens einen Ansatz. Danke für die Anregung auf jeden Fall!
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#5
 
Ich habe mal bei Arens: Sprachwissenschaft. Der Gang ihrer Entwicklung von der Antike bis zur Gegenwart nachgeblättert. Ganz grundsätzlich ist auch schon den Stoikern bewusst, dass verschiedene Satzglieder/Wortarten (die Trennung ist noch unscharf) wechselseitige Abhängigkeiten haben, aber weder bei Platon noch bei Aristoteles kommt dies wirklich bis zu dem Punkt, wo wir von einem Valenzbegriff reden können. Es geht hier eher darum, ab wann ein Satz "vollständig" ist: nur mit Prädikat und Subjekt, oder muss noch ein Zusatz (Objekt) hinzu?
Meines Wissens fehlt auch bei Dionysios Thrax eine Lehre vom Satzbau. Die Satzglieder/Wortarten (Verb/Prädikat in §13) werden lediglich vorgestellt.
Nach Arens wird man wohl eher bei Apollonios Dyskolos (2. Jhdt. u.Z.) fündig, der Thrax um die Syntax ergänzt und eben ausführt, dass man bei den Nomina einen Referenten isoliert denken kann (denk Dir einen Baum), bei einem (infiniten) Verbum aber nicht: Denk dir "gehen", das geht nicht ohne jemanden, der es tut. Hier ist also zumindest implizit ein Valenz- oder Dependenzverständnis zu unterstellen.
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#6
 
(06.01.2014, 20:51:00)lingucat schrieb: Damit kann ich zwar keine endgültige Antwort auf deine Frage liefern aber zumindestens einen Ansatz. Danke für die Anregung auf jeden Fall!
Ich habe euch beiden für die ausführlichen Antworten zu danken. :)

(06.01.2014, 20:51:00)lingucat schrieb: Diese Frage treibt mich jetzt schon die ganze Zeit um. Ich fand/finde sie furchtbar spannend. Ich glaube manchmal, dass sich irgendwo bei mir ein Schalter umlegt, sobald jemand "Verb" sagt.
Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass es Grammatikmodelle etc. gibt, in denen Abhängigkeitsverhältnisse so nicht beschrieben werden. Selbst wenn man Verbvalenz ausschließen kann, bleiben ja noch genügend andere Wortarten übrig. Keine Grammatiktheorie, die mir eingefallen ist, behandelt das nicht. Das aber heißt ja erstmal nicht, dass es so etwas nicht gibt ;)
Ja, so ähnlich ging es mir auch. Umgekehrt müsste man dann zumindest ein Alternativkonzept anbieten können -- und da wüsste ich auch nichts.

Ich denke, wenn man der historischen Entwicklung auf die Schliche kommen will, müsste man wohl erst Mal die Begriffe klar kriegen. Daher wäre es wohl angebracht sich gewissermaßen den konzeptuellen und begrifflichen Bereich, der damit in Verbindung steht, ab zu stecken. Ihr hattet ja z.B. Dependenz und Rektion genannt, die teilweise überlappen, teilweise unterschiedliches bedeuten (zeit- und Personen-bezogen gesehen.)

Dem liegen meinem Eindruck nach mindestens folgende Annahmen/Ideen zugrunde:
* Sprache ist nicht 'monolithisch' sondern besteht aus Segementen (Wörter), die rekombinierbar sind.
* Wörter sind nicht einfach linear geordnet, sondern es bestehen Abhängigkeiten zwischen ihnen (Standarddefinition von Dependenz (?))
* Wörter können die Form anderer Wörter bestimmen (Standarddefinition von Rektion (?))
* Verben/Prädikate können Ergänzungen fordern/haben eine Stelligkeit (Standarddefinition von Valenz (?))

Ziemlich sicher kann man da noch weiter differenzieren und etwa schauen, ob/welche dieser Vorstellung mit bestimmten Wortarten zuerst auftrat und sich dann auf die anderen ausbreitete (z.B. Valenz von Nicht-Verben), oder ab wann formale und semantische getrennt wurden (z.B. semantische vs. syntaktische Valenz).

Hinzu kommen dann außerdem noch anderen Vorstellungen wie z.B. zu Transitivität oder Phrasen/Köpfen, die irgendwie ja auch (wenn auch weniger) überlappen.

Weiterhin wäre zu überlegen, wie die Entwicklung in anderen Disziplinen war. Das Konzept der Stelligkeit gibt es ja etwa auch in der Mathematik oder der Prädikatenlogik, die sich allerdings soweit mir bekannt ist auch erst im 19. Jahrhundert herausgebildet hat.

Ich kenne mich da historisch nicht so aus, würde aber noch früher ansetzen, etwa bei den Sanskritgrammatikern (das ist das früheste, was mir einfällt; ggf. auch mal in anderen Kulturräumen schauen, z.B. wie das im asiatischen Raum oder in der klassischen arabischen Grammatik war). Einerseits erinnere ich mich, dass einer meiner Dozenten meinte, dass die klassische und mittelalteriche Grammatik eher an Paradigmen, Rhethorik und Phonologie/Orthographie interessiert war, andererseits wird ja gerne behauptet, dass z.B. Dependenzgrammatiken historisch älter seien als Phrasenstrukturgrammatiken.

Alles nicht so leicht :/
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