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[Theor] Sprach- und Grammatiktheorie: 
Erledigt: 09.03.2023, 04:43:52 Adjektiv oder Partizip II
#1
Erledigt: 09.03.2023, 04:43:52
 
Guten Tag,

ich hätte gerne wissen, wie ich manchmal erkennen könnte, ob ich mit dem Adjektiv oder Partizip II zu tun habe, wie bspw.:

 1. Auch hier waren die Häuser weiß und gepflegt, waren die Straßenränder baumbestanden, die Autos groß und teuer.

"pflegen" ist ein transitives Verb und rein theoretisch bilden in Verbindung mit "sein" ein Zustandspassiv. "gepflegt" ist aber auch ein Adjektiv. Ich weiß, dass viele Partizipien im Laufe der Lexikalisierung ihre Eigneschaften verloren haben und zu Adjektiven wurden, aber ist das immer so? 

Tritt in 1. gepflegt als Adjektiv oder als PII?
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#2
 
Terminologiegeschichtlich heißen die Partizipien so, weil sie an mehr als einer Wortart teilhaben (partizipieren, wenn man so will). Es geht daher eigentlich nicht um "entweder ... oder ..." sondern ist eher ein Fall von "sowohl ... als auch ...": es sind Verbformen, die wie Adjektive flektiert werden.
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#3
 
Um noch etwas ausführlicher zu werden:

Lass uns Partizipien einmal mit vergleichbaren sprachlichen Formen vergleichen: mit substantivierten und adverbiell verwendeten Adjektiven und mit Derivationen.

Substantivierte Adjektive verhalten sich morphologisch wie die Ursprungswortart (Adjektiv) und syntaktisch und orthographisch wie die Zielwortart (Substantiv). 
In anderen Worten: Sie werden wie Adjektive dekliniert (unterschieden nach schwacher und starker Deklination etc.) und wie Substantive bilden sie den Kopf (Regens) einer Nominalphrase und werden großgeschrieben.
Ähnlich adverbiell verwendete Adjektive (z. B. "Sie kann besser jonglieren als er."): Sie sind, anders als "reine" Adverbien, komparabel (können also einen Komparativ und Superlativ bilden), doch sie treten syntaktisch auf wie Adverbien, um Verben, Adjektive und Adverbien näher zu beschreiben.

Derivationen (oder auch "Ableitungen") sind Wörter, die durch Derivateme ("Ableitungssilben") zu einem semantisch analogen Wort in einer anderen Wortart abgeleitet wurden: herzlich von Herz. Sie verhalten sich morphologisch, syntaktisch und orthographisch wie die Zielwortart (bei herzlich: Adjektiv) und haben vom ursprünglichen Wort nur das lexikalische Element übernommen. Bei herzlich bezweifelt niemand, dass es ein Adjektiv ist.

Partizipien sind vergleichbar mit den beiden oben genannten Fällen, unterscheiden sich aber auch grundlegend von ihnen: Sie verhalten sich morphologisch nicht wie die "Ursprungs"wortart (Verb), sondern wie die "Ziel"wortart (Adjektiv). Syntaktisch haben sie Eigenschaften von beiden Wortarten: Wie Adjektive können sie attributiv vor Substantiven stehen ("der geworfene Ball"), wie Verben können sie Objekte annehmen ("die mir erwiesene Ehre"). 
Diese Eigenschaften sind einzigartig beim Partizip, weshalb es nicht ganz eindeutig ist, wie es einzuordnen ist. Früher wurden Partizipien meines Wissens eher als eigene Wortart angesehen, heutzutage besteht der Konsens darin, dass sie Verbformen sind, die adjektivisch verwendet werden (wie janwo schon gemeint hat). In bestimmten Kontexten ist es m. E. aber auch der Einfachheit halber gerechtfertigt, Partizipien als "Adjektive" zu bezeichnen. Terminologie soll ja das Sprechen über Spezialgebiete erleichtern und nicht unnötig kompliziert machen.

Es gibt eine Handvoll Wörter, der zwar ursprünglich Partizipien waren, deren Quellverb aber nicht (mehr) existiert (oder zumindest nicht in analoger Bedeutung): geblümt (zu *blümen), baumbestanden (zu *bestehen). Aus meiner Sicht werden diese aber normalerweise systematisch nicht anders behandelt als "reine" Partizipien.

Ich will auch noch auf Deine aufmerksame Beobachtung eingehen, dass in "die Häuser waren gepflegt" die Verbalphrase "gepflegt sein" sowohl als Zustandspassiv als auch als Kopulaverb mit Prädikativ interpretiert werden könnte. Aus meiner Sicht gibt es da keinen Unterschied, ehrlich gesagt. Es gibt kein Zustandspassiv, das nicht auch ein Kopulasatz ist. Es könnte als eine Unterkategorie der Kopulasätze ausgelegt werden. 
Wenn Du sie aber als zwei unterschiedliche Dinge behandelt willst, würde ich in der Analyse eines Satzes danach gehen, ob er semantisch und grammatisch mehr von einem Vorgangspassiv hat oder mehr von einem Kopulasatz mit Adjektiv. In Deinem Satz steht ja gepflegt zusammen mit weiß da, was aus meiner Sicht nur die Interpretation zulässt, dass es sich um einen Kopulasatz handelt. Das wird noch deutlicher, wenn Du waren durch wurden ersetzt: "Auch hier wurden die Häuser weiß und gepflegt." Das ist ungrammatisch, da "werden" zusammen mit "weiß" ein Kopulaverb ist, zusammen mit "gepflegt" ein Hilfsverb. 

Noch Fragen? (:

Liebe Grüße
Yaouoay
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#4
 
Was ist eigentlich mit Wörtern wie ungepflegt?
Es gibt kein Verb *unpflegen. Ist ungepflegt nun ein Adjektiv oder immer noch ein Partizip?
Vielleicht könnte gesagt werden, dass es sich um eine Derivation handelt. Allerdings ist {un-} eigentlich kein Derivatem, soweit ich das beurteilen kann.

Und dann gibt es noch handgemacht. Da kommt (ähnlich wie bei baumbestanden) noch ein substantivisches Element hinzu. Ich hatte gemeint, baumbestanden müsste systematisch als Partizip eingeordnet werden. Aber ich denke, es kommt auf den Kontext an, in dem das Wort analysiert wird. Falsch ist es auf jeden Fall nicht zu sagen, dass bestanden, gemacht und gepflegt morphologisch betrachtet Partizipien der Verben bestehen, machen bzw. pflegen sind. Mich würde interessieren, was das dann für das ganze Wort (baumbestanden, handgemacht oder ungepflegt) bedeutet.
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#5
 
Erstmal vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.

Die un-Affigierung im Deutschen tritt nur mit Adjektiven auf, es ist ein klares Signal dazu, dem Partizip II einen adjektivischen Charakter zu zuweisen. Das betrifft auch die Formen wir handgemacht oder computergesteuert. Die Bildung von Komposita mit Nomen oder Adverb als Erstglied kann auch auf den adjektivischen Charakter des Partizips hindueten.
In diesem Zusammenhang kann dem Partizip II grundsätzlich den Status eines Adjektivs zugesprochen werden. Dann unterscheiden sich diese Konstruktionen im Prinzip nicht von anderen Kopula-Prädikativ-Konstruktionen. Dieser These kann jedoch entgegengehalten werden, dass jedes Partizp II egal welchen Status es hat, die Spüren des Verbs beibehält, von dem er ursprünglich abgeleitet wurde. Das bedeutet, dass Partizipien nie vollidentisch mit Adjektiven sein können, auch dann, wenn ihnen ähnlich aussehen. Ihre verbalen Merkmale spielen nämlich immer mit. Wie stark sie in jedem Einzelfall ausgeprägt sind, hängt in erster Linie von der Semantik des entsprechenden Verbalstammes ab.

Nun gibt es heuzutage eine Menge von Formen, die sowohl als Adjektiv als auch als Partizip betrachtet werden können. Ich muss sie aber entweder als eine oder als andere klassifizieren. Ich kann morgen weitere Beispiele anführen.
Ich weiß nicht, ob es nur für mich schwer ist, diese Formen zu differenzieren, weil ich kein Muttersprachlerin bin, oder gibt es in der Grammatik keine richtige Erklärung dafür. Ich habe in der Literatur danach gesucht, aber eher erfloglos. Für alle Hinweise auf Bibliographie würde ich sehr dankbar.
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#6
 
Zitat:Die un-Affigierung im Deutschen tritt nur mit Adjektiven auf, es ist ein klares Signal dazu, dem Partizip II einen adjektivischen Charakter zu zuweisen. Das betrifft auch die Formen wir handgemacht oder computergesteuert. Die Bildung von Komposita mit Nomen oder Adverb als Erstglied kann auch auf den adjektivischen Charakter des Partizips hindueten.
In diesem Zusammenhang kann dem Partizip II grundsätzlich den Status eines Adjektivs zugesprochen werden. Dann unterscheiden sich diese Konstruktionen im Prinzip nicht von anderen Kopula-Prädikativ-Konstruktionen. Dieser These kann jedoch entgegengehalten werden, dass jedes Partizp II egal welchen Status es hat, die Spüren des Verbs beibehält, von dem er ursprünglich abgeleitet wurde. Das bedeutet, dass Partizipien nie vollidentisch mit Adjektiven sein können, auch dann, wenn ihnen ähnlich aussehen. Ihre verbalen Merkmale spielen nämlich immer mit. Wie stark sie in jedem Einzelfall ausgeprägt sind, hängt in erster Linie von der Semantik des entsprechenden Verbalstammes ab.

So waren auch meine Gedanken. Es ist nur die Frage, wie das gemeinhin eingestuft wird. Aber es gibt natürlich auf jeden Fall Argumente dafür, Formen wie ungepflegt oder handgemacht als Adjektive zu bezeichnen.


Zitat:Ich muss sie aber entweder als eine oder als andere klassifizieren.

Das kommt mir etwas seltsam vor. Wie janwo schon sagte: Bei Partizipien gibt es kein richtiges Entweder-Oder. Partizipien werden üblicherweise nicht mehr als eigene Wortart angesehen. Mehr Sinn würde es für mich ergeben, wenn Ihr bestimmen solltet, ob sich das Partizip in einem bestimmten Satzkontext morphosyntaktisch wie ein Adjektiv verhält oder nicht. 

Habt Ihr eine Definition von "Partizip" bekommen, nach der Ihr gehen sollt? Wenn Du diese Aufgabe so erhalten hast, bräuchten wir mehr Hintergrundinformationen, um Dir dabei zu helfen, zu bestimmen, welchen Status das Wort nach Eurer Definition haben müsste.


Zitat:Ich weiß nicht, ob es nur für mich schwer ist, diese Formen zu differenzieren, weil ich kein Muttersprachlerin bin, oder gibt es in der Grammatik keine richtige Erklärung dafür.

Es ist eher so, dass es viele Erklärungen gibt, die einander auch teilweise widersprechen. Ohne die Begriffe vorher auf einer Meta-Ebene definiert zu haben, kann natürlich auch nicht wirklich differenziert werden, ob ein Wort jetzt ein Partizip oder ein Adjektiv ist.
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#7
 
(09.03.2022, 00:24:43)germanistininwork schrieb: Nun gibt es heuzutage eine Menge von Formen, die sowohl als Adjektiv als auch als Partizip betrachtet werden können. 

Die Frage macht keinen Sinn. Das sind zwei inkongruente Kategorien, denn es stehen Wortart (Adjektiv) und Wortform (Partizip) gegeneinander. Das ist – etwas überspitzt gesagt – vergleichbar mit "Ist das ein Substantiv oder ein Superlativ?"  Das Partizip ist eine bestimmte Flexionsform der Verben, die ihnen zusätzlich grammatische Kategorien des Adjektivs zuweist. 

Die Wortarten sind längst nicht so klar voneinander abgegrenzt, wie einem das in der Schule gern vermittelt wird. So gibt es eben Verbformen, die Platz und Funktion eines Adjektivs einnehmen können. Deshalb zu fragen, ob es noch Verb oder schon Adjektiv ist, ist jedoch zur Frustration verdammt: Das lässt sich nicht eindeutig und einstimmig feststellen. 

Stell dir einen Handwerker vor, der auch in der freiwilligen Feuerwehr ist. Wenn jetzt der Schreiner seine Feuerwehruniform anzieht und an einem Einsatzort einen Brand löscht, dann ist er in dem Moment in der Funktion ein Feuerwehrmann, aber grundsätzlich nach wie vor der Schreiner.
Wenn das Verb sich sein Partizip anzieht und sich an einen bestimmten Einsatzort begibt, dann ist es in dem Moment in der Funktion ein Adjektiv, aber grundsätzlich nach wie vor ein Verb.
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