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08.06.2011, 19:12:05
Hallo,
mal wieder eine Frage:
Gibt es irgendwelche strukturmäßigen oder phonologischen Regeln, weshalb manche Sprachen Wörter haben, die aus einem Graphem/Phonem bestehen und andere nicht? So gibt es im Englischen und Französischen z.B. einphonematische Wörter "un" und eingraphematische Wörter "a". Im Deutsch sind mindestens zwei Buchstaben nötig. Gibt es dort irgendwelche versteckten Mechanismen, die das bewirken?
LG
Kevin
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Bevor Mechanismen abklären kann, müsste man erstmal schauen über was für Arten von Wörtern man redet.
Bei phonologischen Wörtern spielen auf jeden Fall Beschränkungen zur Silbenstruktur eine Rolle. Wenn wir mal davon ausgehen, dass ein Wort aus mindestens einer Silbe bestehen muss, dann kann es nur so klein sein wie die kleinste zulässige Silbe. D.h. es kann dann nur aus nur einem Phonem bestehen, wenn in der entsprechenden Sprache [V] als Silbe zulässig ist. Sobald die Silbenstruktur aber komplexer sein muss (z.B. [CV] oder [CVC(C)]), dann kann ein phonologisches Wort auch nicht mehr aus nur einem Phonem bestehen. Mal davon abgesehen – ich glaube nicht, dass es in vielen Sprachen einphonemische Phon-Wörter gibt, da ist ja sozusagen der Aufwand viel zu hoch und man könnte das locker zum vorangehenden oder folgenden Wort hinzufügen.
Womit wir bei morphosyntaktischen Wörtern wären. Da sehe ich nix, was die Kürze beschränken sollte. Den ein phonologisches Wort kann auch mehrere syntaktische Wörter umfassen (es geht aber auch umgekehrt), wie z.B. in "{[hast][e]} {[ma][ne]} {Mark}" (nur zur Illustration, {} = phon. Wort, [] = morphosyn. Wort). Das kleinste morphosyntaktische Wort ist dann potentiell so klein, wie das kleinste Morphem sein kann, also auch problemlos nur ein Phonem.
Bei orthographischen Wörtern verhält es sich ähnlich. Die sind prinzipiell auch unabhängig von phonologischen Wörtern.
Zu phonologischen und syntaktischen Wörtern ist Dixon, R. M. W. (2003). Word: A typological framework. In Dixon, R. M. W. und Aikhenvald, A. Y., Hrsg., Word: A Cross-Linguistic Typology, Kapitel 1, S. 1–41. Cambridge University Press, Cambridge. ganz gut.
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Ich glaube, dass Silben im Deutschen mindestens CV sein müssen. Das sieht man daran, dass Silben, die scheinbar mit einem Vokal beginnen, in Wirklichkeit mit /ʔ/ anfangen (ʔin, ʔum, ʔapfel, be.ʔar.bei.ten). Vielleicht müssen Partikeln sogar immer CVC oder CVV sein, zumindest fällt mir gerade kein Gegenbeispiel ein. Ergo: im Deutschen gibt es keine einphonemigen phonologischen Wörter aufgrund der Beschränkungen zur Silbenstruktur.
Beim WALS kannst du einfach mal "Features" und "Chapters" durchgehen und schauen, ob dort irgendwas steht, das nach phonologischen/morphosyntaktischen Wörtern aussieht.
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Was ist denn dann mit /ʔaus/ vs. /haus/ und /ʔan/ vs. /ban/ (<Bann>)?
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Diese Minimalpaare sind mit wie ohne Glottalplosiv unterschieden. Natürlich entspricht es eher der deskriptiven Eleganz, dem /h/ oder /b/ ein Segment /ʔ/ gegenüberzustellen als eine Null, aber das Endergebnis ist gleich, zumal es kein Minimalpaar gibt, in dem ∅ und /ʔ/ opponieren. Ausgenommen vielleicht besodere Fälle, in denen zugleich eine Kompositions- oder Derivationsfuge eine Rolle spielt: verreisen : vereisen, wobei das auch wieder keine "eleganten" Minimalpaare im Sinne Trubetzkoys sind (aus demselben Grund gilt ja auch Kuchen : Kuhchen nicht als Beweis des Phonemstatus von /x/ vs. /ç/).
Nimmt man die Intuition der Sprecher hinzu, wird's deutlicher. Für die fängt an mit /a/ an, und wenn sie ein Minimalpaar bilden sollen, dann würden sie an : in vorschlagen und für Bann eher kann oder dann.
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Ich kann deine Argumentation schon nachvollziehen.
Aber einige Punkte sehe ich anders: der Unterschied zwischen /ver.rei.sen/ (ist das /r/ hier ambisillabisch?) und /ver.ʔei.sen/ ist ja gerade, dass /ʔeis/ (<Eis>) mit /ʔ/ beginnt, wenn es mit /V/ beginnen würde, wäre die Silbenstruktur nämlich so: /ve.rei.sen/.
Und die Einschätzung von "Laien" ist da wohl auch sehr stark von der Schriftlichkeit geprägt, denn <an> fängt ja auch wirklich mit <a> an, aber das ist ja kein Argument für eine phonologische Analyse. an: in ist natürlich auch ein Minimalpaar, das unterscheidet sich halt nur nicht im Onset.
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09.06.2011, 15:05:54
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 20.11.2011, 14:53:16 von janwo.)
Ambisyllabisch? Keine Ahnung. In meinem -im Auslaut arhotischen- Idiolekt ist verreisen eh [fɐˈʁ͡aɪzn], da stellt die Frage nicht.
Die Laieneinschätzung bekommste aber auch von kleinen Muttersprachlern ohne Orthographiekompetenz.
Wie dem auch sei: es ist eine kaum zu entscheidende Streitfrage. Deine Argumente sind ja auch nicht verkehrt.
Aber irgendwie verlassen wir gerade das Thema des Threads...
Nehmen wir also den eigentlichen Faden (auch) wieder auf: Lassen die (umstritten) nurvokalischen monophonematischen Wörter mal beiseite, dann bleibt und nur noch der Blick in die Dialekte, weil das Hochdeutsche keine monophonematischen Wörter kennt / zulässt, die nur aus einem /C/ bestehen. In verschiedenen Dialekten findet man aber z.B. Varianten des bestimmten Artikels Neutrum Singular, die nur aus einem Konsonanten bestehen: /t/, /s/. Und um gleich das nächste phonologische Fass aufzumachen: Wenn man Affrikaten als ein Phonem wertet, könnte man auch noch die alemannische Präposition z dazu zählen.
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Kevin, ist deine Frage denn hinreichend beantwortet? Dann koennten wir das Thema hier als erledigt markieren...
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