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[Soz] Soziolinguistik, Sprachliche Varianz: 
Erledigt: 09.06.2019, 12:08:42 Geschlechtergerechte Sprache und Anglizismen
#1
Erledigt: 09.06.2019, 12:08:42
 
Hallo zusammen,

ich bringe eine Frage bezüglich der geschlechtergerechten Sprache mit und bin zuversichtlich, hier im richtigen Forum gelandet zu sein. Vorweg bitte ich alle Lesenden diesen Beitrag nicht zu einem ethischen Gefecht werden zu lassen, da die Frage sich schlicht auf die richtige Verwendung einiger weniger Worte bezieht. Kommen wir zum Thema: Ich schreibe zurzeit meine Bachelorarbeit in einem naturwissenschaftlichen Bereich (Informatik) und habe mich dazu entschieden geschlechtergerechte respektive geschlechterneutrale Sprache zu verwenden. In der Informatik gibt es viele Wörter die aus dem Englischen übernommen werden, so auch Product Owner  und Scrum Master

Bisweilen sieht meine Verwendung bspw. folgendermaßen aus: "Der*die Product Owner übernimmt dabei ...."  Naja, klingt ohne die geschlechtliche Anpassung am Ende von Owner oder Master nicht gerade rund. Gängige deutsche Literatur verwendet an dieser Stelle nur die maskulinen Artikel (der Product Owner, dem Product Owner, ...), worauf ich mich allerdings ungern beschränken möchte. Auch die neutrale Verwendung der Form: "Die Person, die für das Produkt verantwortlich ist (Product Owner) ..."  ist nicht sonderlich tauglich. 

Wie würdet ihr diese beiden Wörter gendern?

Beste Grüße
MnR
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#2
 
(06.07.2018, 15:43:58)MnR schrieb:  "... weshalb es mit drei Rollen auskommt: dem*der Product Owner, [...] und dem*der Scrum Master."  

Also vom rein sprachlichen Gesichtspunkt her würde ich vermutlich beide dem Maskulinum zuweisen, in Analogie mit anderen Nomina Agenti (Bezeichnungen für Personen die eine Handlung ausführen) – entlehnt oder nicht – auf {-er}, vgl. Treiber, Meister, Drucker, etc.

In dem konkreten Beispiel jedoch würde ich, ganz unabhängig von gerechter Sprache, gar keinen Artikel verwenden:

Zitat: "... weshalb es mit drei Rollen auskommt: Product Owner, [...] und Scrum Master."  

Mit bestimmtem Artikel liest es sich nämlich so, als ob jede dieser Rollen einzigartig ist, d.h. es gibt nicht drei Product Owner usw. sondern nur eine*n. Ist das so beabsichtigt, dann ok, ansonsten wäre es wohl das Eleganteste, den Artikel wegzulassen.
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#3
 
(06.07.2018, 15:57:33)janwo schrieb:
(06.07.2018, 15:43:58)MnR schrieb:  "... weshalb es mit drei Rollen auskommt: dem*der Product Owner, [...] und dem*der Scrum Master."  

Also vom rein sprachlichen Gesichtspunkt her würde ich vermutlich beide dem Maskulinum zuweisen, in Analogie mit anderen Nomina Agenti (Bezeichnungen für Personen die eine Handlung ausführen) – entlehnt oder nicht – auf {-er}, vgl. Treiber, Meister, Drucker, etc.

Den Artikel wegzulassen würde zumindest das Problem nicht lösen, dass das Wort morphologisch gesehen auf einen maskulinen Referenten verweist.

Wenn man darauf besteht, die Artikel zu verwenden, muss konsequenterweise auch die Endung angeglichen werden, gerade aufgrund der Analogie zu den Nomina Agenti: dem/der Product OwnerIn. Ob nun mit Binnen-I, Beidnennung, etc, ist dabei dem Geschmack bzw. dem Usus zu überlassen.

Die Beispiele, die du hier für Nomina Agenti aufführst, sind für die vorliegende Frage übrigens etwas irreführend, da die meistens bei "Treiber" und "Drucker" nicht an Personen sondern an die Maschinen bzw. an Programmtreiber denken und diese aufgrund des mangelnden natürlichen Geschlechts auch nicht angeglichen werden müssen. Die oberflächliche Identität der {-er}-Endung bedingt noch nicht, dass gegendert werden muss, sondern es kommt auf die bezeichnete/n Entität/en an.

Für solche Fragen bietet sich übrigens dieses Buch als kostengünstiges Nachschlagewerk an.
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#4
 
Hallo janwo,

vielen Dank für den Hinweis bezüglich der bestimmten Artikel. Wie du bereits richtig angenommen hast meine ich nicht drei Product Owner. Deshalb werde ich das obige Beispiel anpassen. 

Nun, dass Nomina Agenti die auf {-er} enden i.d.R. dem Maskulinum zugeordnet werden verstehe ich. Ist es aber auch richtig, dass Product Owner als Anglizismus und damit als Wort, welches im deutschen Sprachgebrauch nicht angepasst werden sollte, immer maskulin sein muss? Es gibt ja durchaus weibliche Product Owner.

Beste Grüße
MnR
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#5
 
Eine Strategie, die ich manchmal anwende ist das Bilden von Hybridkomposita aus dem englischen Begriff und einem besser genderbaren oder neutralen deutschsprachigen. Aus dem Product Owner wird dann z.B. die Product-Owner-Rolle; "Die Product-Owner-Rolle übernimmt dabei, ...".
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#6
 
Manchmal kann auch ein Plural hilfreich sein: 
"Product Owner übernehmen dabei ..."

Und Eindeutschen geht nicht? 
"Der/die Produkteigner/in übernimmt dabei..."
"Der/die Produktverantwortliche übernimmt dabei..."  (ehemalige Adjektive sind immer gut, die gendern sich selbst: die/der Beamte)

Oder ganz stumpf:
"Der/die Product Owner* übernimmt dabei..."
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#7
 
Guten Morgen zusammen,

vielen Dank an alle die bereits geantwortet haben!

(06.07.2018, 18:01:19)janwo schrieb: Manchmal kann auch ein Plural hilfreich sein: 
"Product Owner übernehmen dabei ..."

Ich denke generell ergibt es Sinn die Einteilung in Geschlechter zu vermeiden, soweit es eben geht. Von daher ist der Ansatz mit dem Plural und den bestimmten Artikeln sehr hilfreich.

(06.07.2018, 18:01:19)janwo schrieb: Und Eindeutschen geht nicht? 

Persönlich empfinde ich das als einen guten Ansatz. Allerdings merke ich, das dass Verständnis von wichtigen Begriffen, speziell in der Informatik, sehr weit auseinander gehen kann. Deshalb verwende ich häufig englische Begriffe, da sie gebräuchlicher und auch in den meisten Fällen ausführlicher bzw. eindeutiger definiert sind. "Produktverantwortliche" ist wenig missverständlich, gut eindeutschbar und einfach auf "Product Owner" zurückführbar. Jedoch tritt es im Kontext von "Scrum Master" auf, welches eingedeutscht "Scrum Leiter*in" heißt und damit für mich nicht konsistent und auch irreführend wirkt.

(06.07.2018, 16:46:36)thf schrieb: Eine Strategie, die ich manchmal anwende ist das Bilden von Hybridkomposita aus dem englischen Begriff und einem besser genderbaren oder neutralen deutschsprachigen. Aus dem Product Owner wird dann z.B. die Product-Owner-Rolle; "Die Product-Owner-Rolle übernimmt dabei, ...".

Dieser Ansatz scheint mir neben dem generellen vermeiden von Geschlechtszuordnungen am besten.

(06.07.2018, 16:13:41)lingucat schrieb: Wenn man darauf besteht, die Artikel zu verwenden, muss konsequenterweise auch die Endung angeglichen werden, gerade aufgrund der Analogie zu den Nomina Agenti: dem/der Product OwnerIn.

Tatsächlich war dies auch mein erster Ansatz. Dementgegen hat eine kurze Suche im Web ergeben, dass das ändern von Anglizismen mehr oder weniger verboten ist. Die entsprechenden Referenzen versuche ich nachzutragen, da ich sie jetzt in aller Kürze natürlich nicht wieder gefunden habe. Aber vielleicht weiß ja auch hier jemand bereits mehr?

@lingucat: Ich nehme an die schlechten Rezessionen des Buches stammen aus einer ethischen Haltung und resultieren nicht aus der Qualität des Buches?

Generell scheint es mir so, das geschlechtsneutrale Sprache im Deutschen noch nicht wirklich angekommen ist und die Nutzung einer gewissen Freiheit unterliegt sofern die eigene Nutzung erläutert wird.

Beste Grüße
MnR
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#8
 
(09.07.2018, 09:08:18)MnR schrieb: Generell scheint es mir so, das geschlechtsneutrale Sprache im Deutschen noch nicht wirklich angekommen ist und die Nutzung einer gewissen Freiheit unterliegt sofern die eigene Nutzung erläutert wird.

Das ist sehr diplomatisch formuliert. Meiner Meinung nach ist das Angekommensein noch Jahrzehnte entfernt. Und so lange es nicht einen etablierten (oder in amtlichen Regelungen sanktionierten) Weg oder Regelsatz  gibt, ist es ganz sicher sinnvoll, die eigene Methode ausdrücklich zu erläutern. Als bekannt angenommen werden darf wohl nichts außer dem Binnen-I und dem Schrägstrich plus -in. 


Nur mal aus Neugier: Du hast in dem Beispiel bei Scrum Master jetzt die zweite Hälfte eingedeutscht, warum nicht die erste?
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#9
 
(09.07.2018, 09:31:10)janwo schrieb: Nur mal aus Neugier: Du hast in dem Beispiel bei Scrum Master jetzt die zweite Hälfte eingedeutscht, warum nicht die erste?

Scrum ist ein Eigenname, der einen Softwareentwicklungsprozess beschreibt (siehe Scrum).
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#10
 
Ah. Dann ist Scrum-Master also so etwas wie Gewuselchef. Nett.  Hehe
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#11
 
Guten Morgen zusammen,

in einem früheren Beitrag habe ich behauptet, dass es mehr oder weniger verboten ist Anglizismen im deutschen Sprachgebrauch anzupassen. Dementsprechend wollte ich noch Referenzen nachtragen...

Für die generelle Anwendung von Anglizismen möchte ich an dieser Stelle auf die Morphologische Integration der Anglizismen im heutigen Deutsch  von Tatjana Lewtschenko hinweisen (Ausarbeitung, 2005). Soweit ich es verstanden habe ist ihre Kernaussage die, dass die Sprachen Deutsch und Englisch sich in ihren morphologischen Strukturen unterscheiden und deshalb eine Veränderung von Anglizismen im Deutschen notwendig ist. Dafür bietet sie verschiedene Integrationsstufen an.
Leider geht Lewetschenko, in dem mir ersichtlichen Teil der Arbeit, nicht auf die geschlechtliche Anpassung ein. Dennoch: begründet durch diese Ausarbeitung muss ich meine Aussage bezüglich der generellen Veränderung von Aglizismen zurücknehmen. Allerdings habe ich bereits des Öfteren, häufig in Zeitschriften und leider nicht sehr zuverlässigen Quellen, wie diesem Kommentar, Aussagen gefunden deren Inhalte darauf hinweisen, dass das einem Anglizismus zugrunde liegende Wort im Englischen geschlechtsneutral ist (bspw. User) und deshalb User*in im Deutschen Unfug ist, da sich das grammatikalische Geschlecht aus dem Englischen ableitet. Jedenfalls bin ich nicht in der Lage zu entscheiden, ob dies ein plausibles Argument ist und bleibe daher bei der zuvor beschriebenen Anwendung. 

@42.  Theoretisch: Nein. Praktisch: Absolut zutreffend. 

VG
MnR
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#12
 
Na ja, ob das Wort in der Gebersprache geschlechtsneutral ist, ist für die Psycholinguistik des Deutschen letztlich nur nachrangig. Bei Boss denken die meisten vermutlich nach wie vor überwiegend an einen Mann, auch wenn da gerade kein Artikel bei steht, und wenn der Artikel da ist erst recht, denn es wird ja im Deutschen unzweifelhaft zu der Boss integriert.
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#13
 
Hallo janwo,

ich gebe dir Recht: aus psycholinguistischer Sicht macht es einen deutlichen Unterschied die entsprechenden Wörter anzupassen. Wird diese Änderung allerdings logisch betrachtet, macht es wenig Sinn ein Wort zu erweitern, mit der Absicht Geschlechtneutralität herzustellen, wenn diese bereits vorhanden ist (zumindest theoretisch). Dementsprechend ist dies aus meiner Sicht eine ethische Entscheidung: Möchte ich psychische Effekte erzielen (also gezielt auf eine gewisse Thematik aufmerksam machen) fahre ich ggf. logisch inkohärent. Möchte ich hingegen logische Kohärenz behalten, verliere ich ggf. die psychologische Wirkung. Jedoch setzten beide Aussagen voraus, dass das grammatikalische Geschlecht durch das Wort der Gebersprache bestimmt wird, was aus meiner Sicht bisher nicht bewiesen ist. 

Beste Grüße
MnR
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#14
 
Das Dumme ist, dass ich hierzu mehr als eine Meinung habe und die sich ständig gegenseitig an die Gurgel gehen. Und da ich von Psycholinguistik auch nicht viel Ahnung habe, würde ich das weitere Spekukieren gerne anderen überlassen.
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