Diese Website verwendet Cookies
Dieses Forum verwendet Cookies um deine Login-Daten zu speichern (sofern du registriert bist) bzw. deinen letzten Aufenthaltsort (wenn nicht registriert und eingeloggt). Cookies sind kleine Textdateien, die auf deinem Rechner gespeichert werden. Die von diesem Forum gespeicherten Cookies werden ausschließlich für Zwecke dieses Forums verwendet und nicht von Dritten ausgelesen. Sie stellen kein Sicherheitsrisiko für deinen Rechner dar. Cookies werden in diesem Forum auch verwendet, um die Anzeige bereits gelesener und noch ungelesener Themen zu unterscheiden.
Siehe auch unsere Datenschutzerklärung. Bitte bestätige, ob du Cookies zulassen willst oder nicht.

Ungeachtet deiner Entscheidung wird ein anonymer Cookie gespeichert, um zu vermeiden, dass du bei jedem Besuch erneut entscheiden musst. Du kannst deine Entscheidung jederzeit ändern.

Tröten statt tweeten: Kommt auf unsere Mastodon-Instanz linguisten.info.



[Graph] Graphematik, Orthographie, Schriftforschung: 
Erledigt: 01.07.2018, 18:21:10 "Schbielplatts" - graphematische Prinzipien
#1
Erledigt: 01.07.2018, 18:21:10
 
Hallo, Leute! Ich hoffe, ihr könnt mir helfen. Ich habe vor mir folgende Frage liegen:

Erklären Sie die Falschschreibung "Schbielplatts" (statt Spielplatz). (Hier sollten verschiedene Prinzipien der Schriftsprache auf die Analyse von Fehlschreibungen angewendet werden können.)

In der Vorlesung besprochen hatten wir die folgenden Prinzipien:

Phonologisches Prinzip
Silbisches Prinzip
Morphologisches Prinzip
Etymologisches Prinzip
Pragmatisches Prinzip
Syntaktisches Prinzip
Ästhetisches Prinzip (Gewohnheitsprinzip)


Nun scheitert es bei mir bei der praktischen Auslegung. Syntaktisch ist klar - Großschreibung, da Nomen. Pragmatisch und etymologisch fallen wohl raus. Aber dann steck ich fest.
Kann mir jemand zeigen, wie man die Aufgabe lösen würde?

Danke im Voraus!
Zitieren Zum Seitenanfang
#2
 
Grobe Herangehensweise:
  1. Was wird falsch geschrieben?
  2. Welcher Art ist die Abweichung?
  3. Welche Prinzipien stecken dahinter (also z.B. phonetische Schreibung wo sie nicht passt)

<sp> wird /ʃp/ gesprochen, man könnte also das gewohnte <sch> für /ʃ/ erwarten, aber wir habe da ja eine Regel, die <sp>, <t> von der <sch>-Schreibung ausnimmt.
Das <b> passt auch nicht. Das wäre zu phonetisch (wenn es denn jemand tatsächlich stimmhaft spricht).
Das <tt> ist eine Analogie zu <Platt>.
Das <ts> wäre phonologisch ok, widerspricht aber der Gewohnheit, <tz> zu verwenden.

Hilft das weiter?
Zitieren Zum Seitenanfang
#3
 
Hallo!
Die Aufgabenstellung scheint mir nicht ganz deutlich zu sein: Soll geklärt werden, welche Prinzipien der "Falschschreiber" (fälschlicherweise) angewandt hat, oder gegen welche Prinzipien der "Falschschreiber" verstoßen hat, welche Prinzipien also der richtigen Schreibung zugrundeliegen?
Desweiteren ist es mit den graphematischen Prinzipien immer eine etwas heikle Geschichte, weil jeder Graphematiker sie etwas anders definiert bzw. etwas anderes darunter versteht.
Gerade neuere Ansätze verzichten eher auf eine lange Liste von (Einzel-)Prinzipien, sondern beschränken sich auf die Prinzipien, die sich (in einer synchronen linguistischen Analyse) auf die verschiedenen spachlichen Ebenen beziehen lassen: das sind dann vor allem das phonologische Prinzip (aufgeteilt in das phonographische und silbische Prinzip), das morphologische und das syntaktische Prinzip. (Eine solche Aufteilung geht vor allem auf Peter Eisenberg zurück; sie findet sich z.B. bei Bredel/Fuhrhop/Noack, Wie Kinder lesen und schreiben lernen, oder bei Nanna Fuhrhop, Orthografie, Heidelberg 2009.)
Vor allem das sog. etymologische und das sog. ästhetische Prinzip sind schwer als eigenständige Prinzipien abzugrenzen und ihre Namen sind eher verwirrend. Denn im Grunde sind ja alle Zuordnungsregeln und Regelhaftigkeiten "etymologisch" entstanden. Die Schreibung <ai> ist nicht "etymologischer" als <ei> oder umgekehrt. Vielmehr ist eine die unmarkierte, da häufigere/kontextfreiere, Schreibung (hier <ei>), die andere die markierte (hier <ai>). Mit "etymologischem Prinzip" sind daher in der Regel wohl die markierten (Einzel-)Schreibungen gemeint, die sich synchron nicht morphologisch (durch Ableitung/Verwandtschaft) erklären lassen, z.B. Staat, Hai, Biber, Erbse. Auch beim "ästhetischen Prinzip" geht es eher um einen besonderen Fall des phonologischen Prinzips: Hier geht nicht um einzelne markierte Wortschreibungen, sondern um markierte Regeln, also um regelmäßige Schreibungen, die aber nur in bestimmten Kontexten gelten bzw. in bestimmten Fällen regelmäßig allgemeingültige Regeln außer Kraft setzen (graphotaktische Beschränkungen), z.B. sp- statt *schp-/schb-, qu- statt *kw-, eu statt oi/oü; kein <ie> für /i:/ am Wortanfang, keine Verdopplung von <i, u, ä, ö, ü> zur Dehnungskennzeichnung.
Mit diesen Vorüberlegungen würde ich zu <Schbielplatts> Folgendes sagen:
schb: eine phonographische Schreibung, bei der das "ästhetische Prinzip", <sp> am Wortanfang zu schreiben, nicht beachtet wurde,
ie: hier wurde das phonologische Prinzip richtig angewandt (<ie> ist die grundlegende Zuordnung für /i:/, im Vergleich zu den anderen Vokalen aber eine "besondere" Darstellung des "langen Vokals", also insofern eine "ästhetische" Sonderregel),
tts: hier hat der Schreiber fälschlicherweise das morphologische Prinzip angewandt (*<Platts> möglicherweise als Ableitung zu <platt>: Plätze sind ja meist ebene Flächen!), wobei das <tt> selbst silbisch erklärt werden kann, da es für ein potenzielles Silbengelenk steht, vgl. <platte>. Kennt der Schreiber jedoch nicht die regelhafte Zuordnung /ts/ - <z>, kann es sich auch um eine falsche phonologische Schreibung handeln (ggf. mit übergeneralisierter Anwendung des <tt> nach silbischem Prinzip, vgl. "[plɛt-tsə]", und auf diese Weise dann auch wieder morphologisch: *<Platts> wegen *<Plät-tse>).
Zitieren Zum Seitenanfang
#4
 
b statt p erscheint wohl deshalb, weil die stimmlosen Plosive nach s, sch nicht behaucht sind und daher dem Schreiber nicht klar war, welchem der 2 Grapheme b, p dieser dritte Laut zugeordnet werden soll, [p] und [b̥] sind sich ja extrem nah.

pule [phu:lə]
Spule [ʃpu:lə]
buhle [b̥u:lə]
Zitieren Zum Seitenanfang
#5
 
Ja, ich würde das bekräftigen, was kirilo81 zu *<schb-> schreibt.
Mein Paradebeispiel ist hier immer <Bauspar>-Kasse. Man vergleiche "Ich steh auf Bausparkassen." mit "aufbauschbar". Das hört sich doch sehr gleich an (abgesehen von der Betonung)! "Bausch-Paar" würde sich dagegen (aufgrund der Behauchung) deutlicher davon abheben. (Vergleiche auch <Baustelle>/<Bausch-Delle>/<Bausch-Teller>.) Aber auch <Wespe> - <Lesbe> und auch <Vesper> - <essbar> zeigen das Phänomen. Artikulatorisch lässt sich bei genauem Sprechen schon ein kleiner Unterschied machen, aber vor allem akustisch lässt sich (im normalen Gespräch) kein Unterschied wahrnehmen.
Linguistisch muss man hier wohl von phonologischer Neutralisation sprechen. D.h., der Phonemunterschied zwischen /b/ und /p/ ist hier neutralisiert (ich meine, es geht hier vor allem um den Unterschied Lenis - Fortis), etwas anders gelagert, aber ähnlich wie bei "Auslautverhärtung".
Diese Neutralisation trifft meiner Meinung nach übrigens nicht nur auf Plosive nach "s und sch" zu, sondern im Grunde auf alle Obstruenten, die anderen stimmlosen/Fortis-Obstruenten folgen (zumindest im Wortanlaut und zwischen betonter und unbetonter Silbe). Sie liegt auch vor z.B. in <heftig>, <flüchten>; vgl. auch <Jagden> - <jagten>, <Rätsel> - <Brezel>, <Sperenzien> - <Sperenzchen> (beide Schreibungen existieren), <Prinzipien> - <Prinzipchen>, meiner Meinung nach auch z.B. bei <(des) Swings> - <Sphinx>.
Wobei ich glaube, dass bei manchen Konsonanten eher die Lenis-Variante wahrgenommen wird (bei den Plosiven, wg. der fehlenden Behauchung, und [v/f]), bei anderen eher die Fortis-Variante (bei [z/s] und den sch-Lauten. (Bei j/ch ist es mir nicht ganz klar ...)
Zitieren Zum Seitenanfang
#6
 
"Erklären Sie die Falschschreibung "Schbielplatts" (statt Spielplatz)!"

Die "falsche" Schreibweise entspricht mehr oder weniger der Aussprache; der Schreiber hat sich dabei also etwas gedacht.

Spielplatz: [ˈʃpiːlˌplaʦ]

Die "richtige" phonetische Schreibweise würde ich mit der Tastatur etwa so schreiben:

'Schpyylplatz
'Schbbhyylplatz
Zitieren Zum Seitenanfang


Social bookmarks & quicklinks
Permalink: https://linguisten.de/t4874


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste